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„Am Abend aber dieses ersten Tage der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht...“ (Johannesevangelium, Kapitel 20, Vers 19)

Was machen Sie zu Ostern? Wie werden Sie sich fühlen? Ostern wird anders in diesem Jahr. Ohne Besuche und Begegnungen. Ohne Staus und vollbesetzte Biergärten. Ohne den „üblichen“ Stress, der nach Ostern zur Erschöpfung führt. Die Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) bestimmt auch die Feiertage: keine Gottesdienste, Konzerte, Fußballspiele. Was bleibt? Ja, was bleibt in diesem Jahr von Ostern? Etwa der derzeit immerhin erlaubte „goethesche“ Osterspaziergang? Wobei in diesem Jahr auch im Winter Strom und Bäche kaum mit Eis bedeckt waren. Ja, der Winter war schwach und verschwindet nun ganz, lässt die Natur grünen. Die Temperaturen steigen, die Vögel zwitschern – alles eigentlich „Gute-Laune-Macher“. Und doch dringt aus finsteren Toren kein buntes Gewimmel hervor. Denn die Vorsichtsmaßnahmen gelten auch zu Ostern weiter.

Kann man in solchen Zeiten die Auferstehung des Herrn feiern? In der Regel ist uns nicht nach Feiern und wir selber sind auch nicht „auferstanden und ans Licht gebracht“. Im Gegenteil: Täglich prasseln auf uns Meldungen über Ansteckungszahlen und Todesopfer des Virus nieder. Da fragt man eher: Bin ich hier Mensch? Will ich hier sein?

Die Macht des Virus zeigt zugleich unsere Ohnmacht. Der Einsatz von Pflegekräften, Dienstleistern, Zulieferern und anderen gegen COVID-19 ist bewundernswert. Der Umgang mit dem Virus ist das Thema dieser Tage. Und Ostern?

Ostern scheint weit weg zu sein. Dabei kommen wir in dieser ungewöhnlichen Zeit dem ersten Osterfest in Jerusalem sehr nahe. Denn der Evangelist Johannes berichtet (Joh. 20,19): „Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht...“. Sicher, wir sind nicht versammelt, sondern leben isoliert. Doch auch wir igeln uns ein und spüren, wie schnell uns Angst erfasst. War es bei den Jüngern die Angst vor Übergriffen von Landsleuten, die ihren Glauben nicht teilten, so ist es bei uns die Sorge vor einer Ansteckung. Ostern wird es, weil der auferstandene Herr - wie Johannes berichtet - in jene verschlossene Versammlung der Jünger kam und sprach: „Friede sei mit euch!“ Und Johannes berichtet weiter: „Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.“

Das erste Osterfest erzählt also von Jüngern, die durch die plötzliche und unerwartete Gegenwart von Jesus wie umgewandelt sind. Ihre Lage hat sich äußerlich nicht verändert. Aber sie sind ab diesem Moment zuversichtlicher. Statt Furcht packt sie Freude, statt Einsamkeit Weltoffenheit, statt Mutlosigkeit neuer Tatendrang. Keinen Spaziergang haben sie vor sich, keine Gute-Laune-Verkündigung auf den Lippen, kein Wohlstands-Christentum im Blick. Ja, durch alle Zeiten hindurch sind Angst, Furcht und Sorgen Wegbegleiter geblieben. Diese Nöte kennen keine Feiertage oder freien Tage. Auch zu Ostern können sie unser Denken und Fühlen „in Beschlag nehmen“. Gerne übernehmen sie „das Heft unseres Handelns“ und lassen uns das spüren. Aus solcher Isolation allein ausbrechen zu wollen, ist nicht möglich. Auch mit einer guten Portion Selbstbewusstsein ist da nichts zu machen. Ermutigende Appelle und Ermahnungen prallen nur ab. Ein „Osterfest“ können wir uns nicht selber bereiten. Da muss einer von außen kommen und unsere Isolation aufbrechen.

Er, der Herr, der Schöpfer des Himmels und der Erden, wird zu Ostern aktiv. Obwohl uns Türen und Wege immer wieder verschlossen bleiben, ist seit diesem ersten Osterfest Verschlossenheit nicht sein Problem, Angst und Resignation für ihn kein Grund zur Panik, fehlender Glaube kein Anlass für einen Rückzug.

Deshalb können wir wie der Vater eines kranken Kindes in unserer Jahreslosung schreien: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Dieser Vater weiß nicht weiter. Alles, seinen Glauben und seine Zweifel, sein Vertrauen und seinen Unglauben bekennt er Jesus Christus, dringend, drängend, bittend. Alles bringt er vor diesen Herrn – und alles erwartet er von ihm. Was kommen wird, weiß er nicht. Ebenso wie wir. Und doch dürfen wir wie dieser Vater vertrauen, dass wir in allen Dingen und jeder Hinsicht von diesem Auferstandenen abhängig sein dürfen. Unsere Situation zu Ostern ist in diesem Jahr äußerlich sehr verändert. Und doch gilt in diesem wie in jedem der letzten 2000 Jahre der Ostergruß: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Und damit gilt auch uns in jeder Lebenslage seine Gegenwart, seine Nähe, sein Friede. 

 

Ihr Christian Schönfeld

 

Foto © Christian Schönfeld

 

Foto © Christian Schönfeld